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2. Platz beim Bremer Literaturwettbewerb "Treffpunkt Bürgerpark"

Lesung und Preisverleihung im November 2021

Inhalt

Schreiben als Kraftquelle

Rosa Jimenéz-Claussen belegt den zweiten Platz beim Bremer Literaturwettbewerb

von INA ULBRICHT

Hat viel Biografisches in ihre Kurzgeschichte einfließen lassen, die jetzt in einem Sammelband erschienen ist: Rosa Jimenéz-Claussen. FOTO: INA ULBRICHT

Hat viel Biografisches in ihre Kurzgeschichte einfließen lassen,
die jetzt in einem Sammelband erschienen ist: Rosa Jimenéz-Claussen.
FOTO: INA ULBRICHT

Stuhr/Bremen. „Es war einer dieser Regentage in Bremen, an denen es sich eingeregnet hatte und man sich nicht vorstellen konnte, dass der Regen je wieder aufhören würde. Isabel rannte mit ihrem kurzen Kleid über die Parkallee und blieb kurz auf dem Grünstreifen zwischen den Fahrspuren stehen…“ So beginnt die Kurzgeschichte „Adios“ von Flora Montán, die in Wirklichkeit Rosa Jimenéz-Claussen heißt, und bis vergangenes Jahr Lehrerin an der Lise-Meitner-Schule in Moordeich war. Mit ihrem Text über Abschied nehmen und ein junges Mädchen zwischen den Welten, die einem ganz besonderen Mann im Bremer Bürgerpark begegnet, hat Jimenéz-Claussen den zweiten Platz des Bremer Literaturwettbewerbs 2021 belegt. Jetzt ist die Geschichte in einem Sammelband mit dem Titel „Treffpunkt Bürgerpark“ – gleichzeitig auch Thema des Wettbewerbs – erschienen.
„Ich habe bereits zwei Bücher geschrieben“, erzählt die 51-jährige Bremerin. Das seien allerdings erzählende Sachbücher gewesen: eines über Rentner an der Costa del Sol und ein Elternratgeber. „,Adios‘ ist meine erste literarische Veröffentlichung“, so die Lehrerin. Deswegen habe sie sich auch für ein Pseudonym entschieden. „Rosa Jimenéz- Claussen ist zu sperrig“, findet sie. Eigentlich habe sie einen Roman schreiben wollen, erzählt sie. „Dann hat mich eine Schreibkollegin auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht.“ Also habe sie innerhalb von zwei Wochen ihre Geschichte zu Papier gebracht. „Das hat mir viel Spaß gemacht und die Geschichte hat viel biografisches“, verrät sie. Nicht nur ihr Lieblingsgedicht komme darin vor. Ihr Vater stamme aus Andalusien, ebenso wie die 18-jährige Protagonistin in „Adios“. „Ich bin mit Flamenco-Gesang aufgewachsen und war davon genauso genervt wie Isabel“, sagt Jimenéz-Claussen, die aufgrund einer Erkrankung im vergangenen Jahr aufhören musste zu arbeiten.
„Ich möchte beim Schreiben immer verschiedene Perspektiven vermitteln“, erläutert Jimenéz-Claussen die Intention ihrer Kurzgeschichte. „Es geht um verschiedene Stadtteile und Gesellschaftsschichten“, erläutert Jimenéz-Claussen, die selbst nicht aus dem Bildungsbürgertum stammt, wie sie sagt. Und: „Obwohl es schwere Themen sind, soll die Geschichte trotzdem lustig und ermutigend sein“, betont sie. Deswegen gehe es auch um den Kontakt zu Verstorbenen. „Das kann etwas sehr tröstendes sein“, findet die Autorin, deren Protagonistin unter dem Verlust ihrer Großmutter leidet, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt. „Auch ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meiner Oma und wurde an der Bauchspeicheldrüse operiert“, erzählt Jimenéz-Claussen, die seit Mai dieses Jahres ehrenamtlich eine Selbsthilfegruppe für Bauchspeicheldrüsen-Erkrankte und deren Angehörige leitet. „Die Gruppe richtet sich an Menschen aus Bremen und Umgebung“, sagt sie. Es seien also auch Betroffene aus Stuhr und Weyhe willkommen.

Insgesamt gebe es bundesweit 60 Gruppen mit 1500 Mitgliedern. Vier Mal habe sich die Gruppe in diesem Jahr trotz Corona in Präsenz treffen können, freut sich Jimenéz- Claussen. „Viele denken bei der Bauchspeicheldrüse an Krebs, das Angebot richtet sich aber auch Menschen mit anderen Erkrankungen“, erklärt sie. Wichtig sei die Lebensqualität der Erkrankten, betont sie. Deswegen seien auch Ärzte und Ernährungsberaterinnen bei den Treffen zugegen. „Es tut mir gut, anderen zu helfen“, sagt sie über ihre Motivation, die Gruppe zu leiten. Außerdem wolle sie dem Gesundheitssystem etwas zurückgeben.
Was ihr hilft, mit dem Thema Krankheit und Sterben umzugehen? „Mein christlicher Glaube“, sagt Jimenéz-Claussen. „Das hilft mir sehr, weil der Glaube ein Leben nach dem Tod beinhaltet.“ Dieser Gedanke und das Schreiben seien ihre Kraftquellen, sagt die Lehrerin, die ebenso wie die Protagonistin ihrer Geschichte im Bremer Stadtteil Huckelriede wohnt und ihre Arbeit in Moordeich sehr vermisst. „Mir fehlt auch der Schüleraustausch mit Alicante sehr“, sagt Jimenéz- Claussen, die hofft, irgendwann wieder an der Lise-Meitner-Schule arbeiten zu können. „Ich habe viel an meine Schüler, die in der Corona-Zeit Abi machen mussten, gedacht“, sagt sie. Sie habe selbst drei Kinder und dadurch miterlebt, wie es ist, während der Pandemie im Homeschooling zu sein.

Das Buch „Treffpunkt Bürgerpark“ gibt es für zehn Euro in allen Buchhandlungen oder direkt beim Kellner Verlag (www.kellnerverlag.de). Weitere Informationen zur Selbsthilfegruppe für Bauchspeicheldrüsen-Erkrankte erteilt Rosa Jimenéz-Claussen per E-Mail an jimenez-adp-bremen@gmx.de oder telefonisch unter 04 21 / 1 73 14 80.

Quelle: Weserkurier am 3. Dezember 2021    |    Bericht und Foto von INA ULBRICHT

 
„Schreiben, was man gerne liest“

Von Birgit Schreiber

Flora Montán verrät, was sie beim Schreiben motiviert und worum es in ihrer preisgekrönten Kurzgeschichte geht

Rosa Jiménez-Claussen alias Flora Montán
Foto: Jörg Teichfischer

Birgit: Liebe Flora, in den vergangenen Monaten hat dein Schreiben enorm an Fahrt aufgenommen. So hast du nicht nur einen Roman geschrieben, sondern du hast mit deiner Kurzgeschichte „Adiós“ unter dem Namen „Flora Montán“ den zweiten Preis beim Bremer Literatur-Wettbewerb „Treffpunkt Bürgerpark“ gewonnen: Worum geht es in deiner Geschichte und was gefällt dir daran am besten?

Flora: Es geht um eine 18jährige aus Bremen, die unter den Corona-Maßnahmen leidet: Sie trauert darüber, dass ihre spanische „abuela“, ihre Oma, an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt, ohne dass sie sich von ihr verabschieden kann. Unterwegs im Bürgerpark trifft die junge Frau überraschend den alten Heinrich Heine und wird von ihm getröstet. Doch es geht nicht nur um diese Begegnung, eine Rolle spielen auch die verschiedenen Stadtteile in Bremen, unterschiedliche Bildungs- und Schichtzugehörigkeiten und die Identitätssuche der jungen Frau, deren Eltern Roma sind. Es hört sich vielleicht nicht so an, doch die Geschichte ist trotz der ernsten Themen lustig und tröstend. Das ist es auch, was mir gefällt. Ich möchte liebevollen Humor bewahren und mich und andere ermutigen.

Birgit: Dein Name ist Rosa Maria Jiménez-Claussen, warum hast du die Geschichte unter dem Namen „Flora Montán“ veröffentlicht?
Lauschige Plätze im Bürgerpark

Flora: Mein eigener Name kommt im Spanischen extrem häufig vor, etwa so wie „Monika Müller“ im Deutschen. Und für literarische Texte finde ich „Rosa Jiménez-Claussen“ zu sperrig.

Birgit: Was war für dich wichtiger: Das Gewinnen oder das Schreiben der Geschichte?

Flora: Natürlich ist es supertoll, Anerkennung zu bekommen, aber was mir dauerhaft hilft, ist das Schreiben an sich. Im Falle dieser Geschichte war es allein schon deshalb wichtiger als der Gewinn, weil ich mit dem Preis gar nicht gerechnet habe. Für mich war es das erste Mal, dass ich als Erwachsene an einem Schreibwettbewerb teilgenommen habe.

Birgit: Wenn jemand dich fragen würde: „Wie schaffe ich es, ein Buch zu schreiben?“ Was würdest du antworten?

Flora: Ich würde sagen: Es kommt darauf an, was für ein Typ Mensch du bist und was dich aufbaut und zum Schreiben motiviert. Für alle, die etwas veröffentlichen möchten, gilt jedoch, dass sie zäh sein müssen und sich nicht entmutigen lassen dürfen. Und was natürlich immer hilft, sind Zeit und Muße. Als erwerbstätige Mutter mit kleinen Kindern habe ich etliche Bücher begonnen. Doch die Entwürfe liegen unvollendet in der Schublade. Schließlich sollte man schreiben, was man selbst gerne liest. Bei mir sind das nun mal Erzählungen, Ratgeber und Liebeskomödien mit Happy End.

Birgit: Was hat dir beim Schreiben noch geholfen?

Flora: Mich bringt der Austausch mit anderen Autor:innen weiter. Auch die Schreibsalons und Schreibcamps mit dir sind für mich inspirierend und ich finde, dass die Treffen durch das digitale Format gewonnen haben. Die Möglichkeit, sich mit Frauen aus ganz Deutschland, aus Österreich und der Schweiz am Bildschirm auszutauschen, gemeinsam zu schreiben, sich vorzulesen und sich gegenseitig zu ermutigen, ist doch ein positiver Effekt der Pandemie. Außerdem habe ich gelernt, dass ich mir Hilfe holen kann. In Bremen haben wir mit dem „Literaturkontor“ und dem „Literaturhaus“ hilfreiche Anlaufstellen.
Seen und Kanäle machen den Bürgerpark reizvoll.

Birgit: Manche Autor:innen spornen selbst gesetzte Deadlines beim Schreiben an. Wie ist das bei dir?

Flora: Anderen mag der Zeitdruck beim Schreiben helfen, mir nicht. Das Bewusstsein über die begrenzte Lebenszeit als Mensch hilft mir da schon eher. Daneben motivieren mich meine Wut und mein Trotz, die dann während des Schreibens verfliegen und immer darin münden, dass ich versuche, zwischen verschiedenen Personengruppen zu vermitteln.

Birgit: Ist es aus deiner Sicht wichtig zu wissen, was dich beim Schreiben antreibt?

Flora: Ja, Schreibende sollten sich selbst eingestehen, was sie motiviert und weshalb sie über bestimmte Themen auf ihre ganz eigene Art schreiben. Ganz egal, wie die eigenen Strukturen entstanden sind, es ist hilfreich, sie zu erkennen. Ich möchte zum Beispiel Verständnis wecken und vermitteln: In meinem ersten Buch über deutsche Rentner:innen an der Costa del Sol versuche ich, zwischen Deutschen und Spaniern zu vermitteln. In meinem Ratgeber versuche ich, das Verständnis zwischen Eltern und Schule zu verbessern. In meiner Kurzgeschichte „Adiós“, meiner ersten literarischen Veröffentlichung, tauchen die Gegensätze unterschiedlicher Stadtteile und Schicht- und Bildungszugehörigkeiten auf.

Birgit: Schreiben zieht sich wie ein roter Faden durch dein Leben: Wir beide kennen uns noch aus der Phase, in der du wissenschaftlich geschrieben hast. Spielte das Schreiben auch davor eine Rolle?

Flora: Ich habe schon als Kind Tagebuch geschrieben und später Geschichten und Gedichte. Dabei war mein Ziel immer erst einmal, mich danach besser zu fühlen und nicht das Produkt. Das ist „Schreiben als Selbsthilfe“, so wie du es formuliert hast in deinem Buch.
Farbenprächtige Laubbäume

Birgit: Du hast einen Roman geschrieben. Worauf können wir uns genau freuen?

Flora: Es ist eine Komödie, die in Bremen spielt und in der es natürlich auch wieder um Konflikte geht. Diesmal handelt es sich um Konflikte zwischen sozialen Gruppen, die in der Bremer Presse häufig auftauchen. Natürlich gibt es ein Happy End und mehr verrate ich nicht.

Birgit: Auf dieses Buch freue ich mich jetzt schon. Du hälst uns auf dem Laufenden, nicht? Ich danke dir vielmals für das Gespräch.



Buchtipp: Treffpunkt Bürgerpark. Geschichten und Gedichte zum Bremer Bürgerpark. Literaturwettbewerb 2021. Kellner Verlag, 10 €